Antony and the Johnson's: Swanlights

Antony, Antony, Antony… Wer ihn bisher nicht kannte, sollte sich nicht an dieser Anfang Oktober erschienenen Platte versuchen sondern lieber auf den Vorgänger The Crying Light (2009) oder noch besser auf I am a Bird Now (2005) zurückgreifen. Wer mit Antony bereits Bekanntschaft gemacht hat, braucht dieses Album nicht.

Eigentlich ist Antony ein Stern, geläutert und gerade dadurch von einem hohen Anteil dunkler Materie umgeben. Ein Komet, der von Ferne still den Musikhimmel durchschweift, Sog und Lodern jedoch, je näher man ihm kommt. Natürlich muß man sich an seinen Stil und den Gesang “gewöhnen” – dieses unerhörte Schillern im Obertonstübchen. Oft ist seine Stimme brüchig, herzzerreißend melancholisch, aus einem Tremolo wird ein Epos und aus der Bridge eine Arie. Zugleich vermag sich sein Organ kraftvoll in die Songs zu schrauben, schnippisch, wütend, exentrisch. Der Stern Antony schmachtet & brütet und er feiert & fordert. Sein musikalisches Herz wird analog von zwei Kammern angetrieben, deren eine dem Pop, ja dem Kitsch huldigt, während die andere von einer klassischen Bildung her der Avantgarde schlägt. Am besten ist Antony, wenn er dem Pop grandiose Kompromisse abtrotzt, wenn beide Kammern interferieren und unisono seine Kometenbahn ausleuchten.

Was er allerdings auf Swanlights unternimmt, gleicht leider eher einem Gran Sternenstaub im Nichts. All das kennen wir schon von Antony, und wir kennen es besser. Da hilft es auch nichts, wenn Björk ihren Senf dazu gibt (Flétta, Track 9) oder prominente orchestrale Begleitung aufgefahren wird. Noch weniger, wenn Antony gleich im ersten Titel des Albums mantrisch beteuert: Everything is new, dann aber musikalisch nicht mehr dazu zu sagen/zu bieten hat. Der Pop bleibt zu eindeutig poppig, und was avantgardistisch klingen soll, klingt getrimmt. Wirklich schade. Setzt hier etwa das Kammerflimmern ein? Bekommt Antony den Gleichklang seiner beiden Herzkammern nicht mehr hin? Hoffentlich nur vorübergehend.

Die Platte bleibt hörbar (Anspieltips: Track 4, 6 und 10), bietet aber weder Überraschungen noch Vertiefungen. Sicher ist es schwer, Authentizität weiter zu entwickeln, gerade wenn sie mit Extravaganz einher geht. Aber dann wird es besser sein, einige Takte in der kosmischen Hintergrundstrahlung abzutauchen, um später mit neuem Glanz die Bahnen zu durchbrechen.

Kammerflimmern?

Antony and the Johnson’s: Swanlights (Rough Trade 2010).


Und für alle, die Antony in Höchstform erleben möchten, eine Aufnahme aus dem Jahr 2007:



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